Die Sendung Kommentar bietet Meinungsbeiträge zu tagesaktuellen Themen. Die Kommentare werden gelegentlich ergänzt um kurze Glossen in Form eines "Zwischenrufs". Am Samstag kommentieren Journalisten von Hörfunk, Fernsehen und Printmedien die "Themen der Woche".
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Warum ausgerechnet “biodeutsch” das “Unwort des Jahres“ ist
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SWR Aktuell: "Biodeutsch" ist als satirischer Begriff auf Kabarettbühnen bekannt geworden. Warum ist das jetzt böse? Constanze Spieß: Das war in den 90er-Jahren, das ist jetzt auch schon eine Zeit lang her. Und wir kritisieren auch gar nicht den satirischen, ironischen Sprachgebrauch dieser Vokabel. Uns geht es darum, dass diese Vokabel zunehmend in einem wörtlichen, unreflektierten und gedankenlosen Modus verwendet wird, um eine rassistische, biologistische Form von Nationalität zu konstruieren und Menschen zu differenzieren, also einzuteilen, zu bewerten und zu diskriminieren, vor dem Hintergrund vermeintlich biologischer Abstammungskriterien.
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Unwörter entstehen im Gebrauch, dazu muss man sich die Kontexte anschauenSWR Aktuell: Mir gefällt ja der Begriff "Kartoffel-Deutsch". Ist das jetzt schlecht? Spieß: Das kommt immer auf den Kontext an, würde ich sagen. Das kann man nicht per se sagen, denn Unwörter entstehen im Gebrauch, und dazu muss man sich die Kontexte anschauen. SWR Aktuell: Ist "sprachsensibel" für Sie ein Stichwort, um die Welt besser zu machen? Spieß: Sprachsensibilität ist wichtig, um ein gutes Miteinander zu haben. Ob wir dadurch die Welt besser machen - das ist ja ein sehr hehres Ziel - , weiß ich nicht. Aber das tägliche Miteinander funktioniert besser, wenn wir sprachsensibel miteinander umgehen. SWR Aktuell: Viele haben damit Probleme und fühlen sich gegängelt. Wie kann man denen aufs Pferd helfen? Spieß: Indem man zurückfragt, wie sie sich zum Beispiel fühlen würden, wenn über sie in der Form geredet wird, wenn sie durch bestimmte sprachliche Formen ausgegrenzt werden, und so weiter. Diese Frage würde ich einfach zurückgeben. SWR Aktuell: "Remigration" war im vergangenen Jahr "Unwort des Jahres" und damit als absolutes No-Go gelistet. Im Wahlkampf feiert es jetzt bei der AfD und Alice Weidel ein Comeback. Wie kann das sein? Spieß: Ja, wie kann das sein? Das Wort ist ja in der Welt, und wir sind nicht dazu da, diese Wörter aus der Welt zu schaffen, sondern sich über den eigenen Sprachgebrauch Gedanken zu machen. Und wir sehen jetzt sehr schön an der Partei AfD, wie bewusst und provokativ dieses Wort auch gesetzt wird, um eine bestimmte Wählerschaft zu erreichen. Und das Problem ist natürlich, dass durch die Kritik am Sprachgebrauch die zugrunde liegenden Einstellung natürlich nicht einfach verschwinden. Und es wird immer wieder Bewegungen geben, die dann sagen ja, ich benutze das jetzt erst recht, und andere sagen aber: Moment, das habe ich so noch nicht gesehen. Und bei dem Wort Remigration ist es natürlich so: Da haben die rechten Kreise dieses Wort besetzt, für sich in Anspruch genommen und umgedeutet. Und das hat zu einem Großteil funktioniert. Wichtig finde ich dennoch, dass die Bevölkerung darüber aufgeklärt wird. Denn viele haben gesagt: Oh, das war mir gar nicht so bewusst! SWR Aktuell: Was kann also ein "Unwort des Jahres" im besten Fall erreichen? Spieß: Eine Sensibilisierung für den Sprachgebrauch, für den jeweils eigenen Sprachgebrauch, aber auch für den Sprachgebrauch, der in der Öffentlichkeit stattfindet.Quelle: Constanze Spieß, Jurysprecherin "Unwort des Jahres"
Wörter sind ja nicht an sich schlecht, sondern werden das erst durch den Gebrauch.SWR Aktuell: Jetzt mal zum Prozedere, wie so ein "Unwort des Jahres" zustande kommt. Dieses Mal waren es laut Agentur 3172 Einsendungen mit 655 verschiedenen Ausdrücken. Rund 80 von denen entsprachen den Unwort-Kriterien. "Biodeutsch" gehörte mit zehn Einsendungen zu den am häufigsten vorgeschlagenen Begriffen. Das klingt jetzt nicht so wahnsinnig repräsentativ. Wie gehen Sie vor? Spieß: Wir arbeiten auch nicht nach repräsentativen Kriterien, die Zahl der Einsendung spielt für uns eigentlich keine Rolle. Wir gucken dann erstens: Welche der Wörter, die eingereicht wurden, haben denn einen "Unwort-Status"? Und da setzen wir dann unsere Kriterien an. Unwörter entstehen ja im Gebrauch. Wörter sind ja nicht an sich schlecht, sondern werden das erst durch den Gebrauch. Unwörter sind für uns dann Unwörter, wenn sie gegen das Prinzip der Menschenwürde verstoßen, gegen das Demokratieprinzip und wenn sie bestimmte soziale Gruppen diskriminieren oder wenn sie verschleiernd, euphemistisch eingesetzt werden. Und bei biodeutsch war es einerseits die diskriminierende Verwendung, andererseits aber auch der Verstoß gegen das Demokratieprinzip. Hier wird gegen die Idee von demokratischer Gleichheit und Inklusion verstoßen, wenn das verwendet wird, um Differenzen aufzumachen und Personengruppen zu klassifizieren. SWR Aktuell: Mein persönlicher Favorit für das "Unwort des Jahres" wäre "kriegstüchtig" gewesen. Das wurde ihnen auch 58 mal vorgeschlagen. Warum ist es das nicht geworden? Spieß: Die Unwort-Jury hat das auch diskutiert. Aber da sind wir zu keiner Einigung gekommen.Quelle: Constanze Spieß, Linguistin
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SWR Aktuell: "Biodeutsch" ist als satirischer Begriff auf Kabarettbühnen bekannt geworden. Warum ist das jetzt böse? Constanze Spieß: Das war in den 90er-Jahren, das ist jetzt auch schon eine Zeit lang her. Und wir kritisieren auch gar nicht den satirischen, ironischen Sprachgebrauch dieser Vokabel. Uns geht es darum, dass diese Vokabel zunehmend in einem wörtlichen, unreflektierten und gedankenlosen Modus verwendet wird, um eine rassistische, biologistische Form von Nationalität zu konstruieren und Menschen zu differenzieren, also einzuteilen, zu bewerten und zu diskriminieren, vor dem Hintergrund vermeintlich biologischer Abstammungskriterien.
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Unwörter entstehen im Gebrauch, dazu muss man sich die Kontexte anschauenSWR Aktuell: Mir gefällt ja der Begriff "Kartoffel-Deutsch". Ist das jetzt schlecht? Spieß: Das kommt immer auf den Kontext an, würde ich sagen. Das kann man nicht per se sagen, denn Unwörter entstehen im Gebrauch, und dazu muss man sich die Kontexte anschauen. SWR Aktuell: Ist "sprachsensibel" für Sie ein Stichwort, um die Welt besser zu machen? Spieß: Sprachsensibilität ist wichtig, um ein gutes Miteinander zu haben. Ob wir dadurch die Welt besser machen - das ist ja ein sehr hehres Ziel - , weiß ich nicht. Aber das tägliche Miteinander funktioniert besser, wenn wir sprachsensibel miteinander umgehen. SWR Aktuell: Viele haben damit Probleme und fühlen sich gegängelt. Wie kann man denen aufs Pferd helfen? Spieß: Indem man zurückfragt, wie sie sich zum Beispiel fühlen würden, wenn über sie in der Form geredet wird, wenn sie durch bestimmte sprachliche Formen ausgegrenzt werden, und so weiter. Diese Frage würde ich einfach zurückgeben. SWR Aktuell: "Remigration" war im vergangenen Jahr "Unwort des Jahres" und damit als absolutes No-Go gelistet. Im Wahlkampf feiert es jetzt bei der AfD und Alice Weidel ein Comeback. Wie kann das sein? Spieß: Ja, wie kann das sein? Das Wort ist ja in der Welt, und wir sind nicht dazu da, diese Wörter aus der Welt zu schaffen, sondern sich über den eigenen Sprachgebrauch Gedanken zu machen. Und wir sehen jetzt sehr schön an der Partei AfD, wie bewusst und provokativ dieses Wort auch gesetzt wird, um eine bestimmte Wählerschaft zu erreichen. Und das Problem ist natürlich, dass durch die Kritik am Sprachgebrauch die zugrunde liegenden Einstellung natürlich nicht einfach verschwinden. Und es wird immer wieder Bewegungen geben, die dann sagen ja, ich benutze das jetzt erst recht, und andere sagen aber: Moment, das habe ich so noch nicht gesehen. Und bei dem Wort Remigration ist es natürlich so: Da haben die rechten Kreise dieses Wort besetzt, für sich in Anspruch genommen und umgedeutet. Und das hat zu einem Großteil funktioniert. Wichtig finde ich dennoch, dass die Bevölkerung darüber aufgeklärt wird. Denn viele haben gesagt: Oh, das war mir gar nicht so bewusst! SWR Aktuell: Was kann also ein "Unwort des Jahres" im besten Fall erreichen? Spieß: Eine Sensibilisierung für den Sprachgebrauch, für den jeweils eigenen Sprachgebrauch, aber auch für den Sprachgebrauch, der in der Öffentlichkeit stattfindet.Quelle: Constanze Spieß, Jurysprecherin "Unwort des Jahres"
Wörter sind ja nicht an sich schlecht, sondern werden das erst durch den Gebrauch.SWR Aktuell: Jetzt mal zum Prozedere, wie so ein "Unwort des Jahres" zustande kommt. Dieses Mal waren es laut Agentur 3172 Einsendungen mit 655 verschiedenen Ausdrücken. Rund 80 von denen entsprachen den Unwort-Kriterien. "Biodeutsch" gehörte mit zehn Einsendungen zu den am häufigsten vorgeschlagenen Begriffen. Das klingt jetzt nicht so wahnsinnig repräsentativ. Wie gehen Sie vor? Spieß: Wir arbeiten auch nicht nach repräsentativen Kriterien, die Zahl der Einsendung spielt für uns eigentlich keine Rolle. Wir gucken dann erstens: Welche der Wörter, die eingereicht wurden, haben denn einen "Unwort-Status"? Und da setzen wir dann unsere Kriterien an. Unwörter entstehen ja im Gebrauch. Wörter sind ja nicht an sich schlecht, sondern werden das erst durch den Gebrauch. Unwörter sind für uns dann Unwörter, wenn sie gegen das Prinzip der Menschenwürde verstoßen, gegen das Demokratieprinzip und wenn sie bestimmte soziale Gruppen diskriminieren oder wenn sie verschleiernd, euphemistisch eingesetzt werden. Und bei biodeutsch war es einerseits die diskriminierende Verwendung, andererseits aber auch der Verstoß gegen das Demokratieprinzip. Hier wird gegen die Idee von demokratischer Gleichheit und Inklusion verstoßen, wenn das verwendet wird, um Differenzen aufzumachen und Personengruppen zu klassifizieren. SWR Aktuell: Mein persönlicher Favorit für das "Unwort des Jahres" wäre "kriegstüchtig" gewesen. Das wurde ihnen auch 58 mal vorgeschlagen. Warum ist es das nicht geworden? Spieß: Die Unwort-Jury hat das auch diskutiert. Aber da sind wir zu keiner Einigung gekommen.Quelle: Constanze Spieß, Linguistin
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